Die alten Schulen
(von Reinhold Neeb, stellv. Schulleiter bis 2014 und Johannes Först)
Die Einführung der allgemeinen Werktagsschulpflicht in Bayern erfolgte im Jahr 1802. Die Schulpflicht bezog sich auf alle Kinder vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr. Ein Jahr später ordnete der bayerische Kurfürst für die dreizehn- bis achtzehnjährigen Jugendlichen zur Vertiefung und Einübung der schulischen Elementarkenntnisse den Besuch der Sonn- und Feiertagsschule an.
Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht erforderte die Errichtung neuer, „moderner“ Schulhäuser. Bisher war es üblich, alle Kinder in einem Raum zu unterrichten, in dem häufig auch noch der Lehrer mit seiner Familie wohnte. Nunmehr sollten eigene Klassenräume, ausgestattet mit Tischen und Bänken, ein diszipliniertes Lernen ermöglichen.
Allerdings fehlte wie so oft das nötige Geld.
1856: Einführung des siebten Schuljahres, dadurch Verkürzung der Sonntagsschule auf drei Jahre
1938: Einführung achtjährige Schulpflicht
1969: Einführung neunjährige Schulpflicht
Die Sonntagsschulen überführte man seit Beginn des 20. Jahrhunderts schrittweise in landwirtschaftliche und gewerbliche Berufsschulen.
Da die Kinder auf dem Land auch in der Landwirtschaft arbeiteten, wurde die Schulzeit im Sommer- und Winterhalbjahr unterschiedlich geregelt. Im Sommerhalbjahr hatten die Schüler vielerorts täglich nur zwei Stunden Unterricht, im Winterhalbjahr vormittags drei und nachmittags zwei Stunden. Der Mittwoch- und Samstagnachmittag war schulfrei.
Die Lehrer übten bis ins 20. Jahrhundert verschiedene Nebentätigkeiten aus. In jeder Gemeinde war die Schulstelle mit dem Kirchendienst verbunden und die meisten Lehrer arbeiteten auch als Kantor, Organist und Mesner. Eine zusätzliche und weitverbreitete Nebentätigkeit stellte der Posten des Gemeindeschreibers dar. Es war eine begehrte Aufgabe, da die Entlohnung nicht in das Gesamteinkommen des Lehrers eingerechnet wurde. So war der Eggenbacher Lehrer 1873 gleich in vier Gemeinden als Schreiber tätig und erzielte einen Nebenverdienst von 115 Gulden.
Schule „Früher“
„Wir denken an unseren Kaiser und senken das Haupt“
Mit diesem Satz begann in der Schule „früher“ eine Unterrichtsstunde, nachdem die SchülerInnen ihren Lehrer artig im Stehen mit „Guten Morgen Herr Lehrer“ begrüßt hatten. Kerzengerade sitzend, die Hände ordentlich auf die Schulbank gelegt und die Füße exakt parallel auf dem Boden stehend, mussten sich die SchülerInnen Fingernägel, Ohren und Hals auf ihre Sauberkeit hin überprüfen lassen.
Dabei war der Blick zunächst ehrfürchtig auf das Bild von Kaiser Wilhelm gerichtet und dann demütig gesenkt. Wer nur einen Mucks machte, wurde ermahnt. Wer gar „Trauerränder“ an den Fingernägeln hatte, musste damit rechnen, in die Ecke gestellt zu werden.
Dazu rezitierten die Schüler:
„Reinlichkeit ist eine Freude, sie zieret mehr als Samt und Seide“.
Zunächst die Mädchen, die brav und ordentlich in den letzten Bankreihen saßen (man konnte sich auf ihren Gehorsam verlassen), danach die Buben in den vorderen Bänken (so waren sie ständig in Reichweite des gar strengen Lehrers), zum Schluss alle zusammen.
Als nächstes wurden die „Siebensachen“ im Schulranzen auf Vollständigkeit kontrolliert.
Die “ Siebensachen“
Es waren dies:
Schiefertafel, Schwämmchen, Trockenlappen, Fibel, Gänsefeder, Griffel und Griffelkasten.
Wieder mussten die SchülerInnen in der bekannten Form rezitieren:
„Lerne Ordnung, übe sie, sie erspart dir Zeit und Müh“.
Danach ging es an den Schreibunterricht. Kein Sterbenswörtchen war währenddessen zu hören – nur das knirschende Kratzen der Griffel auf den Schiefertafeln, als Buchstaben und Wörter peinlich sauber aufgeschrieben wurden. Wer schwätzte oder abschaute, erhielt eine strenge Ermahnung, musste sich wiederum in die Ecke stellen oder die Gertenrute flitzte durch die Luft und landete gar unsanft auf Fingerspitzen oder dem Allerwertesten.
Manch geneigte(r) Leser(in) erinnert sich bei diesen Zeilen vielleicht noch an die eigene Schulzeit.
Wie heute noch, war der erste Schultag im Leben eines Kindes früher auch ein besonderes Ereignis, das mit einer Schultüte gefeiert wurde. Nur mit dem Unterschied, dass sich damals nicht so viele Leckereien und Spielzeuge in der Schultüte befanden, sondern überwiegend die benötigten „Siebensachen“ für den Schulanfang, manchmal Weintrauben, ganz selten eine Süßigkeit und vor allem viel, viel Papier, um die Schultüte randvoll gefüllt erscheinen zu lassen.
Schultüten werden schon seit über 150 Jahren verschenkt.
Dieser Brauch kommt aus Sachsen und Thüringen. Dort erzählte man den Kindern früher, dass in dem Haus des Lehrers ein
Schultütenbaum (Bild) wüchse, und wenn die Schultüten groß genug wären, dann wäre es auch
höchste Zeit für den Schulanfang! Diesen Brauch kennt man übrigens nur in Deutschland. In anderen Ländern gibt es ihn nicht.
„Ohne Fleiß kein Preis“
Diesem Motto gemäß wurde die Unterrichtsstunde beendet. Der Herr Lehrer kontrollierte die Stundenergebnisse: „Du hast eine sehr zierliche Schrift“ oder „Hier hättest du dir mehr Mühe geben können“ waren seine Kommentare, doch alle Kinder erhielten ein Fleißbildchen.
Fleißbildchen
„Bin ich auch noch jung und klein, fleißig kann ich doch schon sein“
Anschließend verließen die Kinder „gesittet“ das Klassenzimmer, um sich die wohlverdiente Pause zu gönnen. Wieder strikt nach Buben und Mädchen geordnet. Auch bei den Pausenspielen herrschte Geschlechtertrennung. Während sich die Buben eher bei Spielen zum Austoben (Hahnenkampf) körperlich ertüchtigten, gestalteten die Mädchen Bänder- und Reigentänze.